Ich reagiere sehr spät auf dieses Thema, aber lieber jetzt als nie: 

  • Fast Fashion und Rassismus sind unmittelbar miteinander verknüpft.
  • Einige Unternehmen posteten die letzten Tage emotionale schwarze Quadrate, um Teil der BlackLivesMatter-Bewegung zu sein, tragen aber keine Verantwortung dafür, ihre TextilarbeiterInnen, hauptsächlich BIPoC, zu bezahlen. 
  • AktivistInnen fordern #PayUp: TextilarbeiterInnen auf der ganzen Welt bangen um ihre Existenz aufgrund gestrichener Bestellungen und verzögerter Zahlungen der großen Textilgiganten.

 

Covid19 trifft die Textilindustrie hart. Auf der einen Seite waren und sind strenge Maßnahmen weltweit nötig, um den Virus einzudämmen, insbesondere in Ländern mit einem schlechten Gesundheitssystem. Auf der anderen Seite zwingt der Lockdown Textilfabriken zum Schließen. ArbeiterInnen stehen ohne Lohnzahlungen und dementsprechend ohne überlebenswichtiges Einkommen da. Einige Maßnahmen wurden mittlerweile gelockert. Das gemeinnützige Fair Fashion-Unternehmen Jyoti – Fair Works berichtet zum Beispiel aus Indien und schreibt, dass Fabriken wieder geöffnet werden können. Dennoch bangen ProduzentInnen und TextilarbeiterInnen weiterhin auf der ganzen Welt um ihre Existenz.

Einige Unternehmen haben sich zwar verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu tätigen und die TextilarbeiterInnen nicht im Stich zu lassen. Andere aber, darunter laut Worker Rights Consortium auch C&A, Primark, Levi Strauss & Co., Urban Outfitters, Gap und Bestseller, haben sich bisher geweigert, zu versichern, alle nach der Pandemie stornierten Bestellungen rechtzeitig zu bezahlen oder überhaupt zu bezahlen. Einige Lieferungen der Bestellungen und somit auch die Zahlungen wurden bis auf 2021 verschoben (Stand Juni 2020). Für viele Produzenten kommt dies einer Stornierung gleich. 

Die Auswirkungen dieser gecancelten Zahlungen? Millionen von TextilarbeiterInnen weltweit können sich Lebensmittel und Miete von einem auf den anderen Tag nicht mehr leisten. 

Allein in Bangladesch betrifft dies zwei Millionen TextilarbeiterInnen (Quelle). Bisher wurden laut Recherchen von remake.world 70 bis 80 Prozent der ArbeiterInnen in Bangladesch zwar bezahlt, jedoch spiegelt dies nur die Daten aus einem Land wider und ein beträchtlicher Teil muss weiterhin auf den überlebenswichtigen Lohn warten. 

All dies ist auf einem ausbeuterischen System aufgebaut. 

Billigmode wird unter unwürdigen Bedingungen mit Löhnen unter dem Existenzminimum produziert. Die TextilarbeiterInnen, darunter hauptsächlich Frauen, müssen bis zu 100 Stunden pro Woche für die Fast Fashion arbeiten. Dabei gibt es oft kaum Arbeitsschutz, kein Recht sich zu organisieren und vom Ladenpreis eines T-Shirts erhält die Näherin nur 0,6 Prozent als Lohn. 71 Prozent landen beim Markenunternehmen und im Einzelhandel in Europa (Quelle).

Und dieses ausbeuterische System hat zusätzlich noch ein Rassismus-Problem.

Fast Fashion & Rassismus

Ich weiß nicht, ob euch die Info neu ist, aber ich mache es kurz und schmerzlos (oder eher schmerzhaft): Die (unfaire) Modeindustrie und Rassismus sind untrennbar miteinander verbunden. Weiße Menschen profitieren von einem System, das auf der Ausbeutung von BIPoCs basiert und die Fast Fashion Industrie ist vollständig auf diese Ausbeutung angewiesen. 

Der Fair Fashion-Shop Sancho’s aus England erklärt dies detailliert auf seiner Seite und schreibt: “Die wirtschaftliche Ausbeutung, auf die Fast Fashion angewiesen ist, ist ein Erbe des Kolonialismus. Von den 1500er Jahren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war der europäische Imperialismus ein Weg, Extractive States* zu schaffen und BIPoCs zu unterdrücken. Das Erbe davon hält bis heute an. Westliche Verbraucher wollen billigere Kleidung, und Marken wollen größere Gewinnspannen erzielen. Dies führt dazu, dass LandwirtInnen und TextilarbeiterInnen am Ende der Lieferkette keinen angemessenen Lebensstandard haben.”

(*Extractive State = Extractive states are controlled by ruling elites whose objective is to extract as much wealth as they can from the rest of society, Quelle)

Von den 74 Millionen Textilarbeitern weltweit sind 80 Prozent BIPoC-Frauen (Quelle). Kalkidan Legesse, Gründerin von Sancho’s schreibt im Guardian: “Modeunternehmen haben ein Produktionsmodell entwickelt, das die TextilarbeiterInnen arm hält und unter unsicheren Bedingungen arbeiten lässt, um die eigenen Unternehmensgewinne zu maximieren. Zu den Produktionspraktiken von Fast Fashion gehört es, die Augen vor illegalen Unteraufträgen zu verschließen und erzwungene und unbezahlte Überstunden zuzulassen.” Die Folgen sind Menschenrechtsverletzungen am Arbeitsplatz, eine sich immer tiefer drehende Armutsspirale und Ausbeutung von Mensch und Planet.

Ausbeutung, Rassismus und jetzt stornierte Lieferungen. Kein Wunder, dass die Fast Fashion Industrie mehr denn je in der Kritik steht und AktivistInnen fordern: #PayUp!

Photo by Anand Thakur on Unsplash

Dafür kämpft auch die Petition Gap, Primark, C&A #PayUp for orders, save lives von remake.world, eine NGO, die Menschenrechtsverletzungen und Klimaungerechtigkeit in der Modebranche aufdeckt. In der Petition werden Fashion-Unternehmen dazu aufgerufen, zu versprechen, Lieferanten für alle Bestellungen zu bezahlen, die aufgrund von Coronavirus storniert oder angehalten wurden. Darüber hinaus sollen die Marken sich bereit erklären, diese stornierten und in Produktion befindlichen Bestellungen vollständig (ohne Lieferanten um Rabatte zu bitten) und rechtzeitig (ohne Verlängerung der Zahlungsbedingungen, sofern keine Finanzierungsoptionen bereitgestellt werden können) zu bezahlen.

Das Gegenargument: Aufgrund geschlossener Geschäfte, sehen sich die Konzerne dazu gezwungen, Bestellungen zu annullieren (Quelle). Was ich persönlich davon halte? Nachdem mit billiger Arbeit unter unsicheren Arbeitsbedingungen Millionen oder sogar Milliarden erwirtschaftet werden konnten, werden nun also in einer Krise die ArbeiterInnen im Stich gelassen. Doch die Fast Fashion Giganten könnten es sich laut remake.world eigentlich leisten, ihre ArbeiterInnen zu bezahlen, auch in einer Krise/Pandemie.

Worker Rights Consortium schreibt zum Beispiel (ich lasse es aufgrund der sehr spezifischen Begriffe auf Englisch): “C&A, via COFRA Holding, is under the exclusive ownership and control of the Brenninkmeijer family. The Brenninkmeijers are the richest family in the Netherlands. Recently available reports put the family’s wealth at $22 billion. It is self-evident that billionaires should not be seeking to offload the economic burden of the pandemic onto workers in Bangladesh and Cambodia who subsist on a few dollars a day.” 

Auf der anderen Seite sind einige Unternehmen bereits Zahlungsverpflichtungen eingegangen, wie zum Beispiel Asos, H&M und adidas. Dies bedeutet, dass die Marke den ursprünglich vereinbarten Preis für alle Bestellungen die vor der Krise betätigt wurden zahlt, ohne Rabatte, Stornierungen, und verzögerungen der Versandtermine oder mit Unterstützung der Cashflows der Fabriken. Dies zeigt auch: #PayUp ist möglich, selbst in einer Krise. 

Kommt nach #PayUp der #CleanUp?

Photo by Domagoj Kolonić on Unsplash

Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Außerdem wird es dauern, bis sich Wirtschaft und Kaufkraft erholen. Gleichzeitig besteht aber auch Hoffnung, dass nach der Krise Änderungen stattfinden und wir nicht zurück auf Anfang gehen, Massenkonsum überdacht wird und wir neue, grüne Wege finden, unsere Wirtschaft weltweit wieder aufzubauen. Denn wie bisher können wir nicht weiter machen.

Auch wenn alle TextilarbeiterInnen in den nächsten Wochen bezahlt werden würden, muss sich die Textilindustrie bereits für das nächste Problem in Verantwortung gezogen werden: Alex Augustin, Sprecher des Handelsverbandes Textil, erklärt der Zeit: “Im Sommer könnte der Modehandel auf einem Berg von einer halben Milliarde unverkaufter Textilien sitzen.” Kommt also nach #PayUp #CleanUp? Christina Wille vom Fair Fashion-Shop Loveco schreibt dazu sehr treffend: “[Dies ist] ein Beweis mehr dafür, dass die Zyklen in der Modebranche einfach nicht funktionieren. Schon gar nicht in globalen Krisenzeiten.”

Christina Wille, Gründerin von Loveco, Image Credit: Nora Dal Cero

Nachhaltige Modeunternehmen, Slow Fashion Shops und Bio-Textil-Hersteller zeigen seit Jahren, dass Alternativen möglich sind. Doch genau diese Branche, die keine preisdrückenden Rabatte anbietet und sich stattdessen für rechtzeitige und faire Zahlungen und Arbeitsbedingungen der TextilarbeiterInnen einsetzt, ist maßgeblich von der wirtschaftlichen Krise getroffen. Aufgrund der fairen Bezahlungen fallen die Margen und somit auch die Gewinne oft noch niedriger aus.

Christina Wille engagiert sich deshalb seit Beginn der Pandemie mit ihrem Shop Loveco  in der Initiative #FairFashionSolidarity, zusammen mit den Fair Fashion-Labels LangerChen und Lanius sowie mit der Online-Plattform Avocadostore. Es geht um Zusammenhalt und darum, die Last auf mehreren Schultern zu verteilen. Mehr dazu hier

 

Das waren sehr viele Infos, ich weiß. Und ihr fragt euch sicherlich: Was nun? Was können wir BloggerInnen, InfluencerInnen, LeserInnen und KonsumentInnen tun? Hier ein paar Ideen:

Unterschreibt Petitionen:

 

Unterstützt nachhaltige Modelabels, die für Transparenz, nachhaltige Produkte und sichere Arbeitsbedingungen kämpfen. Ihr könnt diese natürlich mit einem Kauf supporten, aber auch darin, indem ihr ihre Social Media Accounts, Links und Empfehlungen teilt.

Lernt mehr zu dem Thema, hier eine Linkliste für die erste Recherche:

 

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